Glas ist aus der modernen Architektur nicht mehr wegzudenken – offen, transparent, lichtdurchflutet. Doch genau diese gestalterische Qualität birgt auch ein unterschätztes Risiko: Glasscheiben sind potenzielle Schwachstellen für Lauschangriffe. In Zeiten wachsender Wirtschaftsspionage, Cyber-Hybridbedrohungen und gezielter Informationsabschöpfung müssen sich sicherheitskritische Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden fragen: Wie abhörsicher ist unsere Glasfassade?

Unsichtbare Bedrohung: Wie durch Glas abgehört wird
Ob mittels Laser-Abhörtechnik, Richtmikrofonen oder durch elektromagnetische Abstrahlungen – Glasflächen bieten Angreifern mehrere Angriffspunkte:
- Laser-Mikrofone registrieren Vibrationen der Fensterscheibe aus hunderten Metern Entfernung.
- Richtmikrofone bündeln Sprachschall durch geschlossene Fenster.
- Körperschallmikrofone erfassen Vibrationen direkt am Glas oder Rahmen.
- EM-Abstrahlung von Computern und Displays kann durch ungeschirmte Fenster nach außen dringen (TEMPEST-Risiko).
Diese Methoden sind längst keine Spionage-Fiktion mehr. Sie kommen im Rahmen von Wirtschaftsspionage, Wettbewerbsbeobachtung oder ausländischen Nachrichtendiensten zur Anwendung – teils mit hochprofessioneller Ausrüstung, teils mit frei erhältlicher Technik.
Wer ist betroffen? Mehr als nur Botschaften
Nicht nur staatliche Einrichtungen müssen sich schützen. Auch Forschungszentren, Tech-Unternehmen, Anwaltskanzleien, Pharmafirmen oder Energieversorger besitzen sensible Informationen, die für Konkurrenten Gold wert sind. Selbst „gewöhnliche“ Besprechungsräume an der Glasfassade können zum Sicherheitsproblem werden – etwa wenn Preisverhandlungen, IP-Themen oder Kundendaten diskutiert werden.
Technik trifft Architektur: Was schützt vor dem Lauschangriff
Die gute Nachricht: Glasfassaden können funktional und ästhetisch bleiben – bei gleichzeitig hohem Schutzniveau. Die Umsetzung erfordert jedoch durchdachte Planung und bewährte Maßnahmen:
✅ Akustikglas mit Spezialfolien – Schalldämmung von über 50 dB schützt zuverlässig vor Sprachabstrahlung.
✅ Beschichtetes oder gitterverstärktes Glas – blockiert elektromagnetische Wellen, verhindert TEMPEST-Abgriffe.
✅ Aktive Rauschgeneratoren – bringen die Scheibe leicht zum Vibrieren, stören Laser- und Richtmikrofone.
✅ Doppelfassaden mit Luftpuffer und Jalousien – schaffen optische und akustische Barrieren.
✅ EM-konforme Rahmenanschlüsse mit Erdung – machen Fenster zum Teil eines durchgehenden Faraday-Käfigs.

Normen und Standards: Wer auf Nummer sicher gehen will
Für Hochsicherheitsbereiche gelten klare Regeln:
🔒 NATO SDIP-27 (TEMPEST) – für elektromagnetische Abschirmung.
🔒 DIN 4109 / ISO 10140 – für Schalldämmung im Bauwesen.
🔒 SCIF/Zone-Modelle (BSI) – für staatliche Geheimschutzräume.
🔒 VDI 2719 – als Planungshilfe für Fenster in lärmsensiblen Anwendungen.
Ein abhörsicherer Glasbereich beginnt nicht mit dem Produkt – sondern mit einem technischen Gutachten, das Bedrohung, Normen, Maßnahmen und Nachweise strukturiert dokumentiert. Für Bauherren schafft das Rechtssicherheit und Verlässlichkeit.
Planungstipp für Architekten und Projektentwickler
- Lassen Sie Risikoanalyse und Sicherheitskonzept frühzeitig in die Entwurfsphase einfließen.
- Beziehen Sie Sicherheitstechniker für Lauschabwehr und Bauakustiker aktiv mit ein.
- Planen Sie Modularität: Schutzmaßnahmen in besonders sensiblen Zonen, nicht flächendeckend.
- Halten Sie sich an die Devise: „Technik schützt nur das, was organisatorisch verstanden wurde.“ Fenster in Sicherheitsräumen? Dann mit Sensor, Alarmkontakt oder automatischer Maskierung.
Fazit: Transparenz und Sicherheit sind kein Widerspruch
Glasarchitektur muss kein Einfallstor für Industriespione sein. Wer frühzeitig auf technische Schalldämmung, elektromagnetische Abschirmung und organisatorische Disziplin setzt, kann repräsentative Fassaden und Lauschschutz vereinen. Voraussetzung: Wissen, Technik, Planung – und ein zuverlässiger Partner für Sicherheitstechnik.
Autor: Dr. E. Gemeiner ist Anwalt und CEO der TRIAS Solutions GmbH, im Rahmen seiner juristischen Tätigkeit berät und unterstützt er Klient:innen bei der Umsetzung und Etablierung von Sicherheitsmaßnahmen. Der Aspekt Rechtssicherheit wird durch die Tätigkeiten von Dr. Gemeiner gewährleistet.
