Die Ukraine war über viele Jahre hinweg ein bedeutender Handelspartner für österreichische Unternehmen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat sich die Situation jedoch drastisch verändert. Es mehren sich Hinweise darauf, dass österreichische Firmen unter sorgfältiger Abwägung von Chancen und Risiken ihre Aktivitäten in der Ukraine wiederaufnehmen oder aufrechterhalten möchten (WIFO, 2024). Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Hintergründe dieser Entwicklung und betrachtet insbesondere die Fürsorgeverpflichtung (duty of care) sowie die Reisesicherheit in diesem Konfliktgebiet.

Gründe für die Fortführung bzw. Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen
Langjährige wirtschaftliche Verbindungen
Viele österreichische Unternehmen haben in der Vergangenheit enge Beziehungen zur Ukraine aufgebaut. Das betrifft sowohl Lieferketten als auch lokale Standorte, Mitarbeiter*innen und Partnerfirmen. Dadurch fallen Überlegungen, gänzlich auszusteigen, oft schwer. Gleichzeitig existieren in manchen Regionen der Ukraine (insbesondere im Westen) nach wie vor stabile Strukturen, die eine eingeschränkte Geschäftstätigkeit ermöglichen (OECD, 2024).
Wirtschaftliches Potenzial
Die Ukraine verfügt über bedeutende Ressourcen und Industrien, etwa in der Landwirtschaft, im IT-Bereich oder in der Metall- und Maschinenbauindustrie. Österreichische Unternehmen, die hier frühzeitig (wieder) aktiv werden, könnten sich Wettbewerbsvorteile sichern – vor allem, wenn ein umfangreicher Wiederaufbau einsetzt (Zimmermann, 2024)
Mittel- und langfristige Strategie
Obwohl die Sicherheitslage weiterhin herausfordernd ist, besteht bei einigen Unternehmen die Überzeugung, dass ein Engagement in der Ukraine auf lange Sicht Früchte tragen wird. Dies kann besonders dann zutreffen, wenn das Land sich weiter in Richtung EU-Standards bewegt (WIFO, 2024).
Die Fürsorgepflicht der Unternehmen (Duty of Care)
Die Fürsorgeverpflichtung verlangt, dass Firmen ihre Mitarbeitenden vor vermeidbaren Gefahren schützen:
- Sorgfältige Risikoanalyse: Unternehmen müssen vor Entsendungen in die Ukraine die Lage gründlich prüfen, offizielle Reisewarnungen berücksichtigen und interne Richtlinien zum Schutz von Mitarbeiter*innen anwenden (BMEIA, 2024).
- Umfassender Versicherungsschutz: In Krisengebieten sind spezielle Versicherungen erforderlich, die Kosten bei Evakuierungen und medizinischen Notfällen abdecken.
- Evakuierungs- und Notfallpläne: Darüber hinaus sind konkrete Szenarien für eine rasche Ausreise essenziell, sollten Kampfhandlungen oder Bedrohungen zunehmen. Regelmäßige Kommunikation, Trainings und Informationsupdates für das Personal vor Ort sind dabei unerlässlich (Müller & Posch, 2024).
- Haftungsfragen: Bei Verletzung der Fürsorgepflicht drohen neben Reputationsschäden auch arbeitsrechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen für das Unternehmen (Müller & Posch, 2024)
Reisesicherheit vor Ort
Die Einschätzung der Sicherheitslage durch Behörden und Expert*innen bleibt maßgeblich:
- Offizielle Reisewarnungen
Das österreichische Außenministerium rät nach wie vor zu extremer Vorsicht bei Reisen in die Ukraine, insbesondere in umkämpfte Gebiete (BMEIA, 2024). - Bedeutung professioneller Sicherheitsdienstleister
Unternehmen, die dennoch Personal entsenden, greifen häufig auf seriöse und gut vernetzte Sicherheitsdienstleister zurück. Die Gründe dafür sind:- Lokale Expertise: Professionelle Anbieter verfügen über fundierte Kenntnisse der Region, beobachten permanent die Lage und können bei einer Verschärfung der Situation schnell reagieren (KPMG, 2024).
- Netzwerk zu Behörden und Institutionen: Gut etablierte Dienstleister pflegen Kontakte zu Polizei, Militär oder Notdiensten, was in Krisensituationen Zeit und bürokratische Hürden sparen kann.
- Risikominimierung und Haftungsreduktion: Durch professionelle Planung, sichere Transportmittel und klare Evakuierungskonzepte sinkt das Risiko für Mitarbeitende. Zugleich werden Unternehmen ihrer Fürsorgepflicht besser gerecht.
- Flexibilität: Ein erfahrenes Sicherheitsteam kann im Ernstfall rasch alternative Routen oder Schutzmaßnahmen organisieren und so den Geschäftsbetrieb unter schwierigen Umständen überhaupt erst ermöglichen.
- Kommunikation und Dokumentation
Regelmäßige Lage-Checks und Berichte an zentrale Stellen im Unternehmen helfen, rasch auf Veränderungen reagieren zu können. Ein klarer Eskalationsprozess muss festgelegt sein, um bei einer Zuspitzung der Lage zügig agieren zu können (KPMG, 2024).
Ausblick
Trotz der schwierigen Lage hält eine Reihe österreichischer Unternehmen an der Ukraine als Standort oder Handelsmarkt fest (OECD, 2024). Die Beweggründe sind vielschichtig: Langjährige Kontakte, vorhandene Strukturen, erwartete Investitionsmöglichkeiten und die Hoffnung auf Stabilisierung spielen eine große Rolle.
Gleichzeitig stellt die Fürsorgeverpflichtung sicher, dass Unternehmen umfangreiche Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Mitarbeiter*innen zu schützen. Dieser Aspekt bleibt ein zentrales Thema, solange militärische Auseinandersetzungen andauern. Ob und wann eine umfassende Normalisierung möglich sein wird, hängt sowohl vom weiteren Verlauf des Konflikts als auch von internationalen Lösungsansätzen ab.
Fazit
Österreichische Unternehmen, die trotz Kriegsgeschehen in der Ukraine aktiv bleiben oder zurückkehren möchten, müssen das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Chance und Sicherheitsrisiko stets im Blick haben. Mit soliden Sicherheitsstrategien und einer klaren Fürsorgepolitik lässt sich das Engagement verantwortungsvoller gestalten. Viele Betriebe hoffen zudem, frühzeitig an eventuellen Wiederaufbauprojekten mitzuwirken und so ihre Marktposition langfristig zu festigen (Zimmermann, 2024).
Literaturverzeichnis (APA 7)
- BMEIA. (2024). Reiseinformation Ukraine. Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.
- KPMG. (2024). Security Risk Management in Eastern Europe: A Practical Guide for Businesses. KPMG International.
- Müller, A., & Posch, G. (2024). Corporate duty of care in conflict zones: A legal analysis. Journal of International Corporate Governance, 16(1), 33–48.
- OECD. (2024). Corporate Governance in Times of Crisis: Lessons from Conflict Zones. OECD Publishing.
- WIFO. (2024). Economic outlook for Eastern Europe. WIFO Bulletin, 4(2), 12–29.
- Zimmermann, B. (2024). Nachhaltige Investitionen in postkonfliktuellen Ökonomien: Der Fall Ukraine. International Business Review, 13(1), 89–102.
Autor: S. Leitgeb, B.A., CSO der TRIAS Solutions GmbH, weist über 25 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen des BMI auf und stellt nun seine umfangreiche Erfahrung und sein Knowhow Bedarfsträgern aus der Privatwirtschaft zur Verfügung. Die Themenbereiche Desinformation und hybride Gefahren wurde im Rahmen seines Studiums intensiv wissenschaftlich beforscht.