Anlassbedingt zur Sabotagehandlung der ESTLink2 Leitung wollen wir die Situation in Österreich bei unserem 380-kV Ring beleuchten.
Eines vorweg, Österreich ist gut vorbereitet, vor allem durch die robuste Infrastruktur und die etablierte Krisenplanung. Dennoch bleiben kontinuierliche Verbesserungen notwendig, insbesondere im Bereich Cybersicherheit und Drohnenabwehr. Eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und der Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz könnten die Resilienz weiter erhöhen.
Die 380-kV-Leitungen bilden das Rückgrat der Energieversorgung in Österreich und tragen wesentlich zur Versorgungssicherheit bei. Angesichts zunehmender Bedrohungen durch Sabotage ist eine wissenschaftliche Analyse notwendig, um potenzielle Schwachstellen zu identifizieren und resiliente Maßnahmen zu entwickeln. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie gut Österreich auf derartige Vorfälle vorbereitet ist, um die Sicherheit der Energieinfrastruktur zu gewährleisten.
Die 380-kV-Hochspannungsleitungen dienen der Übertragung großer Energiemengen über weite Strecken und sind entscheidend für die Netzstabilität. Ihre Ausfälle können weitreichende Auswirkungen auf die Energieversorgung in Österreich und darüber hinaus haben (E-Control Austria, 2022).
Mögliche Sabotagemethoden
- Physische Angriffe: Physische Zerstörung von Maststrukturen, Isolatoren oder Erdseilen kann zu lokalen Ausfällen oder Netzinstabilitäten führen. Solche Angriffe könnten durch den Einsatz von Sprengstoffen oder schwerem Gerät erfolgen (Sandén et al., 2020).
- Cyberangriffe: Die zunehmende Digitalisierung und Fernsteuerung der Energieinfrastruktur macht das Stromnetz anfällig für Cyberangriffe. Hacker könnten Kontrollsysteme manipulieren, um Leitungen zu überlasten oder gezielt abzuschalten (Liang et al., 2017).
- Störungen durch Drohnen: Drohnen könnten zur physikalischen Beeinträchtigung der Leitungen genutzt werden, indem sie Isolatoren zerstören oder Kurzschlüsse verursachen. Die Mobilität und Erreichbarkeit solcher Geräte machen diese Methode besonders bedrohlich (Hernández & Ortega, 2019).
- Sabotage durch interne Akteure: Insider mit technischem Wissen könnten gezielt Schwachstellen im Netz ausnutzen, beispielsweise durch die Manipulation von Schaltanlagen oder Wartungsprotokollen (Kraft et al., 2021).
Auswirkungen von Sabotageakten Sabotage an 380-kV-Leitungen kann zu Blackouts, wirtschaftlichen Verlusten und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit führen. Ein systematischer Angriff könnte regionale oder nationale Stromausfälle auslösen (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie [BMK], 2022).
Vorbereitungsmaßnahmen in Österreich
- Physische Sicherheitsvorkehrungen:
- Überwachungssysteme: Viele Hochspannungsleitungen und kritische Knotenpunkte sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet, um unautorisierte Zugriffe frühzeitig zu erkennen.
- Zugangsbeschränkungen: Leitungen und Umspannwerke sind oft durch Zäune und Sicherheitssysteme geschützt, um Sabotageakte zu erschweren.
- Robuste Infrastruktur: Die Maststrukturen und Isolatoren sind für hohe Belastungen ausgelegt, um einfache physische Angriffe zu widerstehen.
- Cybersicherheit:
- Digitale Überwachung: Österreich nutzt fortschrittliche Systeme zur Überwachung der Netzstabilität und Cyberabwehr. Regelmäßige Tests simulieren Angriffe, um Schwachstellen zu identifizieren.
- Gesetzliche Vorgaben: Betreiber kritischer Infrastruktur müssen hohe Cybersicherheitsstandards einhalten, wie sie im Rahmen der EU-NIS-Richtlinie vorgeschrieben sind.
- Krisenmanagement und Resilienz:
- Netz-Redundanz: Der 380-kV-Hochspannungsring ermöglicht es, Stromflüsse umzuleiten, wenn eine Leitung ausfällt. Dies reduziert die Auswirkungen eines Angriffs.
- Krisenpläne: Die Übertragungsnetzbetreiber, wie Austrian Power Grid (APG), haben detaillierte Krisenpläne, um Ausfälle schnell zu beheben.
- Notstromversorgung: Maßnahmen zur Sicherung kritischer Infrastruktur, etwa durch lokale Energiespeicher und Notstromsysteme, sind implementiert.
- Schulungen und Übungen:
- Simulierte Angriffe: Regelmäßige Übungen mit Szenarien wie physischen oder Cyberangriffen helfen, die Reaktionsfähigkeit von Betreibern und Behörden zu verbessern.
- Zusammenarbeit: Behörden, Betreiber und Sicherheitskräfte arbeiten eng zusammen, um sich auf potenzielle Bedrohungen vorzubereiten.
Herausforderungen und Verbesserungsmöglichkeiten
- Drohnenabwehr: Der Schutz vor unautorisierten Drohnen, die Sabotageakte ausführen könnten, ist eine relativ neue Herausforderung, bei der Österreich noch technische Lösungen entwickelt.
- Komplexität der Cybersicherheit: Angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Netzes bleibt die Sicherung der IT-Infrastruktur eine ständige Aufgabe.
- Mangel an spezialisierten Fachkräften: Wie in vielen Ländern gibt es auch in Österreich Engpässe bei Fachleuten für Cybersicherheit und Netzmanagement.
Resilienzmaßnahmen
- Verbesserung der physischen Sicherheit: Einsatz von Überwachungssystemen, robusteren Mastdesigns und schwer zugänglichen Standorten.
- Stärkung der Cybersicherheit: Implementierung von Firewalls, Verschlüsselung und Redundanzmechanismen sowie regelmäßige Sicherheitsübungen (European Union Agency for Cybersecurity [ENISA], 2021).
- Monitoring durch Drohnenerkennung: Entwicklung und Einsatz von Technologien zur Erkennung und Abwehr unautorisierter Drohnen.
- Schulung und Sensibilisierung von Mitarbeitern: Etablierung von Schulungsprogrammen, um potenzielle Insiderbedrohungen zu minimieren.
Schlussfolgerung Die Analyse zeigt, dass Sabotage an 380-kV-Leitungen eine erhebliche Gefahr darstellt, aber Österreich auf physischer und digitaler Ebene gut vorbereitet ist. Eine Kombination aus technischen, organisatorischen und regulatorischen Maßnahmen ist erforderlich, um die Resilienz weiter zu erhöhen. Zukünftige Forschung sollte sich auf die Integration von KI-basierten Überwachungssystemen und die Verbesserung internationaler Kooperationen konzentrieren.
Literaturverzeichnis
- Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie [BMK]. (2022). Versorgungssicherheit im Stromnetz: Herausforderungen und Maßnahmen. Wien: BMK.
- E-Control Austria. (2022). Bericht zur Netzsicherheit in Österreich. Retrieved from https://www.e-control.at
- European Union Agency for Cybersecurity [ENISA]. (2021). Cybersecurity in the Energy Sector: Challenges and Solutions. Athens: ENISA.
- Hernández, J., & Ortega, D. (2019). Drone-related risks in critical infrastructures. Journal of Infrastructure Protection, 5(3), 15-29.
- Kraft, T., Müller, R., & Bauer, S. (2021). Insider threats in critical infrastructure systems. Risk Analysis, 41(7), 1201-1215.
- Liang, X., Zhao, W., & Liu, X. (2017). Cybersecurity in power grids: A review. IEEE Transactions on Smart Grid, 8(4), 2029-2038.
- Sandén, P., Johanson, L., & Krüger, F. (2020). Physical vulnerabilities of high-voltage power lines. International Journal of Energy Security, 12(2), 75-92.
Dr. E. Gemeiner ist Anwalt und CEO der TRIAS Solutions GmbH, im Rahmen seiner juristischen Tätigkeit berät und unterstützt er Klient:innen bei der Umsetzung und Etablierung von Sicherheitsmaßnahmen. Der Aspekt Rechtssicherheit wird durch die Tätigkeiten von Dr. Gemeiner gewährleistet.